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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 09.06.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 405/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB
Vorschriften:
ArbGG § 62 Abs. 2 | |
ZPO § 927 Abs. 1 | |
BGB § 626 Abs. 2 |
Aktenzeichen: 8 Sa 405/06
Entscheidung vom 09.06.2006 Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 12.04.2006 - Az.: 6 Ga 10/06 - abgeändert.
Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt. Tatbestand:
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um die Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Verfügungsklägerin als Wirtschafts- und Heimleiterin weiterzubeschäftigen. Die Klägerin stand seit 20.05.2003 als Wirtschaftsleiterin sowie stellvertretende Heimleiterin mit einer Bruttovergütung von 2.664,36 € in Diensten der Beklagten. Sie ist mit dem durch Gesellschafterbeschluss am 27.03.2006 abberufenen Geschäftsführer der Beklagten verheiratet. Die Verfügungsklägerin war Ersatzmitglied des Betriebsrats und Mitglied des im Betrieb der Arbeitgeberin gebildeten Wahlvorstandes. Die Arbeitgeberin kündigte der Verfügungsklägerin in einem Gespräch am 27.03.2006 mündlich und stellte sie mit sofortiger Wirkung von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Am 06.04.2006 erfolgte die Bekanntgabe des Ergebnisses der Betriebsratswahl. Mit am 07.04.2006 zum Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - erhobenen Antrag begehrte die Klägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung. Diesem Begehren kam das Arbeitsgericht mit am 12.04.2006 verkündeten Urteil nach. Zur Begründung des Arbeitsgerichts wird auf dessen Entscheidungsgründe im vorerwähnten Beschluss (Bl. 36 bis 39 d. A.) Bezug genommen. Unter dem 03.05.2006 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Diese war im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Klägerin mit ihrem Ehegatten zu Lasten der Beklagten eine Vereinbarung über den Ausschluss einer ordentlichen Kündigung bis zum 31.12.2008 getroffen habe. Mit weiterem Schreiben vom 17.05.2006 wurde eine erneute außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen (Bl. 177 d. A.). Diese war im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann ohne Bezahlung im Jahr 2006 sowie in den Vorjahren ein Frühstück und Mittagsessen im Haus der Beklagten angenommen habe. Schließlich erfolgte unter dem 01.07.2006 eine weitere außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung, die u.a. auf eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, insbesondere im Zusammenhang mit Aktivitäten des Ehemannes der Klägerin hinsichtlich einer Übernahme der Beklagten begründet wurde. In allen Fällen hat der Betriebsrat den Kündigungen nicht zugestimmt. Gegen das, der Beklagten am 02.05.2006 zugestellte, Urteil richtet sich deren am 19.05.2006 eingelegte und unter dem 23.05.2006 begründete Berufung. Die Beklagte trägt zweitinstanzlich vor, die erlassene einstweilige Verfügung sei aufzuheben, da das erstinstanzliche Urteil bis spätestens zum 12.05.2006 im Parteibetrieb hätte zugestellt werden müssen. Darüber hinaus sei das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.05.2006 fristlos mit sofortiger Wirkung gekündigt worden, weil die Klägerin, ebenso wie ihr Ehemann, ohne Bezahlung ein Frühstück und Mittagessen eingenommen hätte. Insoweit würde auf die eidesstattliche Erklärung der Zeugin V. und U. Bezug genommen. Außerdem sei zuvor am 03.05.2006 eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen worden, weil die Klägerin mit ihrem als Geschäftsführer tätig gewesenen Ehemann einen Nachtrag zum Anstellungsvertrag getroffen habe, wonach bis zum Ablauf des 31.12.2008 eine ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung ausgeschlossen würde. Unter dem 01.06.2006 sei nochmals eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen worden. Diese habe ihren Grund in Vorbereitungshandlungen hinsichtlich einer beabsichtigten feindlichen Übernahme der Beklagten. Der Betriebsrat sei jeweils angehört worden und habe den Kündigungen widersprochen. Insgesamt sei eine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Die Verfügungsbeklagte beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 12.04.2006 - Az.: 6 Ga 10/06 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen. Die Verfügungsklägerin beantragt,
Zurückweisung der Berufung und führt zweitinstanzlich im Wesentlichen aus, die Verfügungsbeklagte könne sich nicht auf Verstreichen der Vollziehungsfrist berufen, da neben der Zustellung des Urteils von Amts wegen am 02.05.2006 ein Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes vom 09.05.2006 erfolgt sei und auch mit Fax vom 02.05.2006 unmissverständlich ein entsprechender Vollstreckungswille erkennbar gewesen sei. Im Übrigen seien die Kündigungen offensichtlich unwirksam und könnten den Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zu Fall bringen. Dem bis 27.03.2006 als Geschäftsführer tätig gewesenen Ehemann der Klägerin seien alle Kündigungsgründe bekannt gewesen. Im Übrigen habe der Rechtsvorgänger der Beklagten der Klägerin gegenüber zugesagt, dass sie die Mahlzeiten kostenfrei erhielte. Eine entsprechende Zusage sei auch von ihrem Ehemann als ehemaligen Geschäftsführer übernommen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Verfügungsbeklagten vom 23.05.2006 (Bl. 124 bis 129 d. A.) sowie die späteren Ergänzungen im Schriftsatz vom 06.06.2006 (Bl. 224 bis 226 d. A.) sowie sämtliche beigefügten Unterlagen und hinsichtlich der Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 31.05.2006 (Bl. 202 bis 209 d. A.) sowie sämtliche vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Zugleich wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 09.06.2006 verwiesen. Entscheidungsgründe:
I.
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden. Sie ist insgesamt zulässig.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Die vom Arbeitsgericht im Wege der einstweiligen Verfügung begründete Verpflichtung der beklagten Arbeitgeberin, die Verfügungsklägerin zu den bisherigen Bedingungen als Wirtschaftsleiterin und Heimleiterin weiterzubeschäftigen, ist zumindest wegen zwischenzeitlich eingetretener veränderter Umstände gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 927 Abs. 1 ZPO aufzuheben.
Nach Erlass der einstweiligen Verfügung durch das Arbeitsgericht sind nämlich Umstände eingetreten, die sowohl den Verfügungsanspruch als auch den Verfügungsgrund entfallen lassen.
Insoweit können veränderte Umstände diese beiden Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung betreffen (vgl. Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Auflage, § 927 ZPO, Rz. 4).
Nach dem Stand des Berufungsverfahrens sind nach der Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils am 12.04.2006 weitere außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigungen vom 03.05.2006, 07.05.2006 und 01.06.2006 ausgesprochen worden.
Nach dem für zutreffend gehaltenen Stand der Rechtsprechung kommt ein im einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzbarer Verfügungsanspruch nur in Betracht, wenn die Gestaltungserklärungen der Beklagten offensichtlich unwirksam wären. Davon wäre nur auszugehen, wenn sich schon nach dem eigenen Vortrag der in Anspruch genommenen Arbeitgeberin ohne jede Beweiserhebung und ohne, dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss (vgl. BAG, Urteil vom 27.02.1985 - GS 1/84 = BB 1985, 2196 (2202); auch Walker in Schwab/Weth, Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz, § 62 Rz. 124).
Mit den von der Arbeitgeberin gegebenen Kündigungsbegründungen kann keine zugunsten der Verfügungsklägerin sprechende Eindeutigkeit der Rechtslage angenommen werden, denn in allen Kündigungsschreiben sind Gründe angeführt, die bei pauschalierter Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren gerade keine offensichtliche Unwirksamkeit ergeben. So wird für die Kündigung vom 03.05.2006 (Bl. 47 d. A.) auf eine aus Sicht der Beklagten zu Unrecht getroffene Ergänzungsvereinbarung zu einer Unkündbarkeit bis zum 31.12.2008 abgestellt und auch darauf, dass diese Vereinbarung im Zusammenwirken mit dem bis zum 27.03.2006 als Geschäftsführer beschäftigt gewesenen Ehemann der Kläger getroffen wurde; für die Kündigung vom 17.05.2006 wird auf die längerfristige Einnahme von Frühstück und Mittagessen ohne Bezahlung im Haus der Beklagten abgestellt und schließlich bei der Kündigung vom 01.06.2006 auf ein Zusammenwirken der Klägerin mit ihrem Ehemann hinsichtlich einer Übernahme der Beklagten. Ob diese Gründe im Einzelnen im Kündigungsschutzverfahren durchgreifen, bedarf keiner abschließenden Beurteilung der Berufungskammer, sie erweisen sich jedoch unter Berücksichtigung des aufgezeigten Rechtsmaßstabes nicht als offensichtlich unwirksam.
Dies gilt auch, soweit die Verfügungsklägerin der Auffassung ist, dass die zum Gegenstand der Kündigung erhobenen Vorwürfe wegen Versäumnis der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht zum Tragen kämen. Nach dem Stand des Berufungsverfahren hat die neue Geschäftsleitung nämlich aufgrund interner Untersuchungen erst am 11./12.05.2006 über einen Teil des Kündigungssachverhaltes zumindest Kenntnis erlangt.
Schließlich greift auch das Argument einer fehlenden Betriebsratsanhörung, das die Verfügungsklägerin in der Berufungsverhandlung vorgebracht hat, nicht, da nach dem Vortrag der Arbeitgeberseite eine Anhörung des Betriebsrates stattgefunden hat. Da der Betriebsrat den Kündigungen widersprochen hat, kann jedenfalls mit unterlassener Anhörung keine offensichtliche Unwirksamkeit der Gestaltungserklärung begründet werden.
Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist auch der vom Arbeitsgericht noch angenommene Verfügungsgrund entfallen, weil die Verfügungsklägerin in ihren Klagen gegen die ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen gerichtlich keinen eigenständigen Weiterbeschäftigungsanspruch verfolgt. Dies ist in den in den Akten befindlichen Klageschriften und den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer zu entnehmen. Aus diesen Gründen vermag die Berufungskammer keine besondere Eilbedürftigkeit zu erkennen (vgl. hierzu Schäfer, NZA 1985, 691, 695 sowie LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.02.1987 - 2 (4) Sa 1848/86 = NZA 1987, 536 sowie Walker, aaO, § 62 Rz. 126).
Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§ 542 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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